Bonga Boys
von Martina SchulteBonga Boys
Global Village Stories
Von Martina Schulte
Mit: David Schalko, Katharina Zapatka, Alexander Khuon, Brigitte Grothum, Martina Schulte
Regie: Nikolai von Koslowski
Produktion: WDR/RBB/NDR/SWR 2009, 54 Min.
Ein Feature, das eine Wucht entfaltet, der man sich kaum entziehen kann. Es erzählt von Arbeitsmigration, von Menschen, die allesamt aus einem äthiopischen Dorf namens "Bonga" kommen und im Ausland ihr Glück suchen – oder mindestens ein bisschen Geld.
Dieses Feature vollbringt das Kunststück, gleichzeitig empathisch und völlig schonungslos zu sein. Von Anbeginn fliegt einem ein völlig neuer Sound um die Ohren, der in dem Unerhörten der erzählten Geschichte(n) seine Entsprechung findet.
Erzählt werden die Legenden, an denen jede und jeder der Protagonisten mitspinnt, weil man das eigene Scheitern oder mindestens Straucheln in der Diaspora nicht eingestehen will und kann. Vor sich selbst oder vor der Familie, die daheim auf positive Nachrichten und auf Geld wartet.
Das gesamte, riesige Konstrukt aus Halb- und Unwahrheiten, aus Stories, Schicksalen, Abhängigkeiten wird von einem einzigen Punkt aus entfaltet: Einem äthiopischen Freund der Autorin, der in Köln lebt. Von hier aus geht es in die USA, nach Äthiopien, nach Saudi-Arabien und immer wieder auch zurück nach Köln. Das ist aufregend, auch akustisch, denn die Gleichzeitigkeit des Hier-wie-dort-Seins, das Hin und Her zwischen den Welten bildet sich auch klanglich ab. Der Sound der globalen Glückssucher ist vielsprachig, immer etwas zu laut, bisweilen scheppernd und treibt das Geschehen unermüdlich voran. Auch dank schneller Schnitte und des energiestrotzenden Soundtracks, der das utopische Potenzial des Pop über einer Story entfaltet, die auch als bleischweres Sozialdrama hätte enden können.
Ein neuer Tonfall, der sich auch bei der Autorin findet, die ihren Protagonisten immer zugewandt bleibt und trotzdem kein Blatt vor den Mund nimmt.
2010 wurde „Bonga Boys“ mit dem Deutschen Radiopreis in der Kategorie „Beste Recherche“ ausgezeichnet. Das Feature ist das Ergebnis einer Langzeitrecherche, die über fünf Jahre gedauert und 150 Stunden Material hervorgebracht hat. Die Intensität des Stücks ist sicher auch auf diese extreme Verdichtung der Erzählung zurückzuführen.
Tanja Runow
Biographie
Martina Schulte hat eine Zeit lang vor allem Features gemacht, mittlerweile erzählt sie in vielen unterschiedlichen Formaten, unter anderem für Deutschlandfunk Nova, den WDR oder auf Videoplattformen wie Vimeo: Visuell und akustisch, online und offline. „Die Feature-Welt war mir auf Dauer zu eng“ sagt sie. Und „auch als Moderatorin kann ich Geschichten erzählen“. „Storyteller und Internetexpertin“ ist dann auch ihre selbstgewählte Berufsbezeichnung.
Ausgewählte Radiostücke
2006 Nach Hause telefonieren: Call Shop Stories
WDR/DLR/RBB/SR
2009. Bonga Boys.
WDR/RBB/NDR/SWR 2009
2014. Deutschland in Kleinanzeigen.
Redaktion: Thomas Nachtigall / WDR/SWR/RBB/DLF 2014
Stichwörter:
Migration; Arbeitswelt; Globalisierung; Äthiopien